Gottesdienst Herbst 2020


1. Teil Predigt reformierter Pfarrer Ernst Friedauer

How many roads must a man go down, bevor you call him a man? Das isch s'Thema vu hüüt. Wieviel Strosse muess en Maa duurlaufe,

bevor Du seisch, er seg en Maa? Das fröged sich de Bob Dylan i sim Proteschtsong am Afang vu de 60ger Johr.

De Protescht chunnt no düütlicher use, wenn de Bob Dylan fröged: Wieviel Mol müend Kanonekugle flüge, bevor me sie für immer bannt? Oder wieveil Johr chönne Mensche lebe, bevor me ihne d'Freiheit git? Wieviel Toti muess es geh, bis me merkt, dass es zviel sind.

Wieviel Ohre muess en Maa ha, bevor er d'Mensche briege ghört. D'Antwort, wo de Dylon git, isch immer die glich:

The answer is blowing in the wind - d'Antwort blost im Wind. Es goht i dem Song also um Krieg, um Underdrückig und

um d'Ufassig vu Manne, wo ebe beides zulöhnd oder gar fördered - de Krieg und Unterdrückig.

De Dylon hebed nöd de moralisch Zeigfinger uf. Er seit nöd: "Ihr Kriegsführer und Unterdrücker sind bösi Lüüt.

Höred endlich uf mit all dem!" Er macht das viel subtiler. Nämlich eso, dass mir, wo sin Song kenned und ihm zuelosed. müend sege:

"Es langed jetzt. Es isch zviel. Mir wend's andersch mache." Dass üs de Bob Dylon i sin Song ineholt und mir d'Antwort gehnd,

wo er offe loht - das isch sicher mit ein Grund, worum de Song berühmt worde isch. Er gilt als de Proteschtsong par excellence.

Lueged mir kurz s'Mannebild a, wo i dem Song vorchunnt. "Wieviel Strosse muess en Maa duurlaufe, bevor Du seisch, er seg en Maa?"

Es goht doch do eigentlich um d'Anerkennig und Wertschätzig. Was muess eine mache, bis Du ihm seisch, er seg en Maa?

Was muess eine mache, bis er dezueghört - bis er anerkannt isch. Die Anerkennig und die Wertschätzig chunnt vu usse.

Selber cha me sich beides nöd geh. Anderi definiered d'Bedingige für d'Anerkennig und d'Wertschätzig.

Selber cha me natürlich sege: "Do mach ich nöd mit. Die Bedingige will ich nöd erfülle." Aber ebe:

Denn ghört me nöd dezue und bliebt en Ussesiiter. Was sind d'Bedingige für d'Anerkennig und d'Wertschätzig?

Es sind materielle Bedingige. Sie richted sich noch em Wieviel. Uf Eu Biker übertreiht heissed sie: "Wieviel Kilometer müend ihr

uf em Bike zrugglege, bevor ihr i Euem Kollegekreis anerkannt sind und Wertschätzig erfahred?"

Wieviel brucht's dodefür? Jetzt chönnt me natürlich sege: "Die Frog isch grundfalsch! Es chunnt nöd uf s'Wieviel a, sondern ufs Wie.

Wenn ich mich anere Tour freu, denn isch es doch glich, wie lang sie isch.

Uf es paar Kilometer meh oder weniger chunnt's jetzt gar nöd drufa. Wichtig isch d'Freud, wo ich han.

Und wenn me i mim Bikerkollegekreis merkt, dass ich mich freu, denn wird ich anerkannt und ich erfahr Wertschätzig." Guet, wenn Ihr die Haltig hend, liebi Bikerinne und Biker. Guet. Ich han nu mengmol de Verdacht, dass üs ebe s'Wieviel stärker prägt, als es üs bewusst isch.

Ich han das scho i de Schuel gmerkt, dass s'Wieviel wichtig isch. Wenn noch de Summerferie mir wieder i d'Schuel sind,

denn hend mir üs natürlich verzellt, wo mir i de Ferie gsi sind. Mir hend alli uftrumpfet. Üsi Gschänli, wo nöd hend chönne furt go, die sind ganz klar d'Ussesieter gsi. Die hend nöd dezueghört. Meischtens het de Breiti am meischte Anerkennig übercho, denn sini Eltere sind fascht immer uf Spanie gange sind. Bi üs isch es eimol Korsika gsi. Aber das isch nöd eso wiit weg wie ebe Spanie.

Dass mir gfloge sind, het mir es paar Bonuspünkt ibrocht. Aber em Breiti sini Stellig isch dodemit nöd würklich in Gfohr gsi.

Noch es paar Täg sind Summerferie verblasst. Es het wieder die normale Kriterie für d'Anerkennig und Wertschätzig geh.

Eis devo sind d'Note im Unterricht gsi oder de Sport. Je besser me gsi isch, deschto meh isch me i de Auge vu andere öppert gsi.

Ebe au do zeiged sich, dass mir scho vu früh uf a materielle Bedingige gwöhnt worde sind und üs dra gwöhnt hend.

Noch em Besser, Meh Höcher oder Schneller. Das het me üs iverliebt und mir hend's üs iverleibt. Und drum: wie isch e mit de Anzahl Kilometer, wo Ihr i dere Saison zrugggleiht hend? Isch sie en Gradmesser für Anerkennig und d'Wertschätzig?

De Bob Dylon seit zu dene materielle Bedingige bloss: D'Antwort weiht im Wind. Er leiht eim natürlich noch, dass sie ebe nüme sölled zelle.

Öb sie das bi eu trotzdem tüend? Das weiss nöd nume de Wind, sondern au Ihr selber.

Mini Anerkennig und Wertschätzig hend Ihr, liebi Bikerinne und Biker, wenn Eu nöd s'Kilometterfresse glücklich macht,

sondern d'Freud a de Maschine, a de Natur und a de Gemeinschaft. Denn lupf ich min imaginäre Huet vor Eu und zoll Eu Respekt.

Amen

 

2. Teil Predigt katholische Seelsorger Marco Anders

Ja, lieber Ernst, da hast du sicher recht. Es gibt andere Dimensionen als die, die man in nackten Zahlen ausdrücken kann.

Andererseits, um mal ganz ehrlich zu sein… Irgendwie gehört es eben auch zu uns Motorradfahrern, dass wir über unsere PS-Zahlen und Kilometerleistungen sprechen, erst recht mit Blick auf unsere Reifen… Auch Geschwindigkeiten und so Zeugs sind ja nicht ganz unwichtig in unseren Unterhaltungen. Es gehört vielleicht einfach zum Spiel. Und wir werden natürlich nicht ganz frei davon sein von diesem «schneller», «besser», «weiter», «mehr». Aber klar: Ich hoffe auch, dass es uns allen auf etwas anderes ankommt. Zumindest im Grunde.

Und dass wir unsere Wertschätzung anderen gegenüber nicht von Zahlen abhängig machen. …. Aber vielleicht doch ein wenig Bewunderung manchmal… ? Aber im Ernst jetzt, liebe Freunde, am Ende kommt es darauf an, was wir auf unseren Wegen erleben.

Egal ob kurz oder lang, ob mit viel oder wenig PS, auf Reifen mit Angststreifen oder ohne. Und es spielt hinten und vorne keine Rolle, was andere sagen und was nicht. Für das, was uns wichtig ist, für das, WAS wir auf unseren persönlichen Wegen, auf unseren Touren erleben,

gibt es eben keine Zahlen und objektive Massstäbe. Es kommt auf unser Empfinden an. Es kommt auf das an,

was Erlebnisse und Erfahrungen in unseren Herzen auslösen – an Freude, Begeisterung, Dankbarkeit oder was auch immer.

Und das ist individuell. Jeder von uns könnte jetzt ganz viel erzählen von Touren, Begegnungen, Erlebnissen, Situationen, die er in Erinnerung behalten wird aus welchen Gründen auch immer. Und das macht das Motorradfahren ja aus. Wir erleben was.

Wir tauchen intensiv ins Leben ein. Jeder auf seine Art. Und das, was wir an Positivem erleben, nehmen wir freudig mit ins Leben, es bereichert uns, macht uns glücklich. All das lässt uns spüren, dass wir leben. Gerade in einer Umwelt, die viel zu oft nach Zahlen fragt und Ansprüche an uns stellt und uns deshalb die Freude, die Unbeschwertheit zu nehmen droht. Vielleicht empfinden viele von uns das Motorradfahren gerade deshalb als so schön, weil man da einfach sein darf. Einfach fahren. Einfach Spass haben.

Ohne die Frage zu stellen, ob das nun alles Sinn macht oder total vernünftig ist, was wir so alles machen.

Und viele finden das Hobby ja auch deshalb so cool, weil man einfach Freundschaft erleben kann untereinander, oft ja über Schichten, Altersgrenzen und so hinweg. Für mich hat all das tatsächlich auch eine religiöse Dimension.

Weil man gerade auch beim Motorradfahren einfach merken kann, wie schön und freudvoll das Leben sein kann.

Und dass man dankbar dafür sein kann. Dass man leben darf. Dass man da ist. Dass man Dinge erleben und auch mit anderen teilen darf. Was sonst will uns der Glaube sagen, wenn nicht: Das Leben ist ein gutes Geschenk. Es ist wertvoll.

Du kannst dafür dankbar sein, demjenigen, der dich ins Leben gerufen hat.

Ich weiss nicht, wie viele Strassen man gefahren sein muss, um das so zu empfinden.

Die Antwort wird uns nur der Wind geben können, der uns um die Nase weht